Seele zwischen Hellenismus und der Bibel

Die „Unsterblichkeit der Seele“ wird von vielen Christen als eine der zentralen Aussagen ihrer Religion angesehen, nach der zu streben ein vorrangiges Ziel ist.   Doch die Unsterblichkeit der Seele wird im Heidentum (Hellenismus) behauptet und ist besonders mit dem Namen Platon verknüpft. Gerade die „Seelenwanderung“ hat dadurch erst ihre Legitimität erhalten! Doch das Urchristentum hat diese Lehre nicht. Für die Bibel ist es weit angemessener, von einer „Unsterblichkeit des Geistes“ zu reden. Das gilt auch für das Neue Testament. Indirekt ist für ein Eindringen der falschen Vorstellung auch die Lutherbibel verantwortlich. Luther hat nicht „falsch“ übersetzt, aber die Doppeldeutigkeit der Übersetzung hat das Eindringen dieser falschen Vorstellung erleichtert.

Zu Beginn der Abhandlung möchte ich 3 Texte nach Luther (1984) zitieren:      Mt. 10,28: Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele (τὴν δὲ ψυχὴν) nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele (καὶ ψυχὴν καὶ σῶμα) verderben kann in der Hölle. (Der einzige Ausnahmetext, der das hellenistische Denken aufweisen könnte)
Von der Nachfolge Mt. 16,24-26 (Paralleltexte: Mk 8,34–9,1; Lk 9,23–27)
(24) Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. (25) Denn wer sein Leben (τὴν ψυχὴν αὐτοῦ)erhalten will, der wird's verlieren; wer aber sein Leben (τὴν ψυχὴν αὐτοῦ) verliert um meinetwillen, der wird's finden.     (26) Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele (τὴν δὲ ψυχὴν αὐτοῦ)? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse (ἀντάλλαγμα τῆς ψυχῆς αὐτοῦ)?
Joh. 12,25:  Wer sein Leben (τὴν ψυχὴν αὐτοῦ) lieb hat, der wird's verlieren; und wer sein Leben (τὴν ψυχὴν αὐτοῦ)auf dieser Welt hasst, der wird's erhalten zum ewigen Leben (εἰς ζωὴν αἰώνιον).
Wenn sich beim Lesen ein unangenehmes Gefühl einstellt, so liegt das schon daran, dass die falsche Vorstellung im Hintergrund steht. Bis auf eine Ausnahme findet sich für „Leben“ und „Seele“ dasselbe griechische Wort – psyche. Von Luther wird aber die Entscheidung für eine Bedeutung getroffen, die der Urtext nicht hat. So suggeriert Luther dem Leser in Mt. 16,26, dass die Seele schützenswert ist, während das irdische Leben (V. 25) weniger wichtig ist. Diesen Eindruck erreicht er, indem er kommentarlos mit einem anderen deutschen Wort dasselbe griechische Nomen übersetzt. Der Eindruck für den Wert eines zukünftigen Lebens gegenüber dem irdischen Leben wird noch verstärkt, weil ja die schützenswerte Seele erhalten bleibt.                             

Umgekehrt werden in Joh. 12,25 zwei  griechische Nomina (psyche und zoe) mit einem deutschen Wort – nämlich Leben – wiedergegeben. Bei „Ewiges Leben“ liegt stets das griechische Wort zoe für Leben vor, eben nicht psyche, weil das Wort für antike Juden mit Vorstellung von Unsterblichkeit keinesfalls verbunden ist. Über reine Suggestion ist nun eine bestimmte Vorstellung erzeugt worden. Der Leser kombiniert unbewusst die hohe Schätzung der Seele, deren Gleichsetzung mit dem ewigen Leben indirekt erreicht wird, indem 2 griechische Nomina mit demselben deutschen Wort „Leben“ belegt werden, mit der Vorstellung der „Unsterblichkeit der Seele“, was ja ein hellenistischer Begriff ist und sogar im NT nur wenig Spuren hinterlassen hat. Eine regelrechte Ausnahme ist der erste Text, Mt. 10,28. Denn nach jüdischer Vorstellung, wie sie fast ausschließlich im NT vertreten wird, wäre nämlich mit dem Leib auch die Seele tot. Man beachte, dass Paulus den „Geist“ eines Sünders vor dem zukünftigen Verderben retten will, von seiner Seele ist nicht die Rede (1.Kor. 5,5). Auch der „Seelsorger“ ist kein biblischer Begriff. „Psyche“ ist ein Wort, mit dem der antike Jude Vergänglichkeit assoziiert, nicht Ewigkeit.
Es ist aufschlussreich, das von psyche abgeleitete psychikos (seelisch) einfach in seinem Vorkommen nach der Lutherübersetzung wiederzugeben. Ein Kommentar ist kaum erforderlich.
1. Kor. 2,14: Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden.
Ein natürlicher Mensch ist korrekt übersetzt ein seelischer Mensch.
1. Kor. 15,44: Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib.
Ein natürlicher Leib ist korrekt übersetzt ein seelischer Leib, obwohl das etwas merkwürdig klingt, insbesondere, wenn man Mt. 10,28 vergleicht, aber das ist eben hellenistisches Denken, nicht jüdisches.
Jak. 3,15: Das ist nicht die Weisheit, die von oben herabkommt, sondern sie ist irdisch, niedrig und teuflisch.
Besonders interessant an dieser Textstelle ist, den negativen Gehalt der beiden anderen Adjektive neben niedrig (= seelisch) zu bedenken.
Jud. 19: Diese sind es, die Spaltungen hervorrufen, niedrig Gesinnte, die den Geist nicht haben.
„Niedrig Gesinnte“ sind eigentlich „Seelische“. Mit Geist ist selbstverständlich der Geist gemeint, den nur gläubige Menschen von Gott geschenkt bekommen, denn ohne den Geist des Menschen selbst könnte ja niemand existieren.
Aber wie soll es möglich sein, ohne „psyche“ ein ewiges Leben zu haben? Wenn sich diese Frage noch stellt, sollte man diesen Artikel noch einmal lesen, denn es ist unbewusst noch die Prägung mit dem hellenistischen Begriff „Unsterblichkeit der Seele“ vorhanden.
Unsterblichkeit der Seele ist keine biblisch-jüdische Wendung!

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